
Désherbage übersetzen die Wörterbücher ins Deutsche mit Unkrautbekämpfung oder Beikrautregulierung. Es geht darum, einige Pflanzen am Wachstum zu hindern, damit andere Pflanzen umso besser wachsen, diejenigen, die man haben möchte, um einen Auswahl- und Sortierprozess.
Dans les bibliothèques, on fait le désherbage, sagt Myriam. Dafür gibt es drei Kriterien: den materiellen Zustand des Buches, die Anzahl der Ausleihen, also ob es gefällt oder nicht gefällt, und die Obsoleszenz. Ein Roman kann niemals obsolet werden, sagt Myriam, aber andere Bücher, Reiseführer zum Beispiel. VHS-Kassetten sind technisch obsolet geworden. Kochbücher waren sehr beliebt, jetzt sind sie es nicht mehr – vielleicht sind sie nicht veraltet, es greift aber Kategorie drei der désherbage, es gibt wenig Nachfrage.
Früher habe die Idee der Pluralität die Bibliotheken geleitet, ein enzyklopädischer Anspruch: Alle Literaturen der Welt sollten zur Verfügung gestellt werden. Die Erfahrung zeige, dass sie nicht gelesen werden. Gelesen werden französische und anglo-amerikanische Romane, skandinavische auch, denn le Polar, der Kriminalroman, das geht immer. Das war es mehr oder weniger, und so werden auch Romane aussortiert bei der désherbage, obwohl sie streng genommen nicht veralten. Obwohl, sagt Myriam, manche mehr veralten als andere. Camus zum Beispiel. Sie liest gern laut. Maupassant wird nicht alt, und Proust wird nicht alt. Anzahl der Ausleihen hin oder her, Proust kann man nicht aussortieren.
Das Leben ist so schnell geworden, auch die Arbeit ist so schnell geworden. Wir arbeiten dreimal so viel wie früher. Dieser verselbständigten Beschleunigung könne man schwer entkommen. Gros lecteurs – tiefe, schwere, dicke, reiche, große Leser – habe sie nicht mehr. Einen schweren Leser nenne sie einen, der fünf Bücher in der Woche liest. Oft seien das auch Leser gewesen, die schwer schlafen konnten, aber was machen sie jetzt? In jedem Fall, die Bibliothek und Mediathek von Allonnes ist reich, reich ausgestattet, auch wenn sie nicht alle Einwohner erreicht. Das sei eine Frage der égalité: Jeder und jedem steht dieser Reichtum zur Verfügung. Wenn man will, kann man.
Foto: Ausschnitt eines Wandbildes an einem zwölfstöckigen Haus Ecke Rue Léo Delibes und Rue Emmanuel Chabrier, gemalt von Jacky, David, Samuel und Matthieu Liegeois, datiert auf den August 1988.