KOLDING Stickereien der dänischen Königin

Im Koldinghus sehe ich eine Ausstellung mit Stickereien der dänischen Königin. Mich beeindruckt ein langes Tischtuch, bestickt mit Gerichten eines Banketts: Austern, Geflügel und gefüllte Birnen, Spargel und Fische, gekochte Schinken, Brötchen und Pralinen.

Matilda Felix schreibt zu stickenden Königinnen:

Das 19. Jahrhundert war in Europa geprägt durch die Industrialisierung. Quasi als Gegengewicht zu den damit verbundenen sozialen Krisen entwarf der Historismus eine romantisch verklärte Version des mittelalterlichen Alltags. Das lässt sich in der Architektur, in der Literatur und auch in der Kunst nachverfolgen. Zum romantischen Blick des 19. Jahrhunderts auf das Mittelalter gehörte die stickende Königin als Komparsin jedes erfolgreichen Regenten. Diese Vorstellung hatte nichts mit der mittelalterlichen Realität zu tun, soviel ist inzwischen klar. Die Kunstgeschichtsschreibung des 19. Jahrhunderts war aber dennoch überzeugt, dass Kaiserin Kunigunde am Beginn des 11. Jahrhunderts ein Bamberger Kaisergewand stickte, den sogenannten Kunigundenmantel, der ihren Gatten, Kaiser Heinrich II., als Retter der Menschheit inszeniert. Königin Gisela von Ungarn wurde zur Herstellerin des ungarischen Krönungsmantels, ebenfalls ein Produkt des 11. Jahrhunderts. Und Königin Mathilde zur Produzentin des Teppichs von Bayeux, der die Invasion ihres Ehemanns – Herzog Wilhelm II. der Normandie, genannt Wilhelm der Eroberer – in England illustrierte. Dass der Teppich von Bayeux Ende des 11. Jahrhunderts als Auftragsarbeit in einem englischen Kloster entstand und sehr wahrscheinlich von Mönchen produziert wurde, spielte in der späteren Rezeption keine Rolle. Zu eingängig war das Image der stickenden Königin. Heute sind textile Techniken als künstlerische Arbeitsweisen omnipräsent. Und dennoch ist es sicher kein Zufall, dass die dänische Königin in den herausfordernden Pandemie-Jahren als passionierte Stickerin in den Vordergrund tritt. Sie zeigt damit nicht nur ihr privates Hobby, sondern reproduziert ein vertrautes Vorbild, das familiären Zusammenhalt und die Tugend der Geduld gleichermaßen zelebriert.