KOLDING Sensommervise

Am ersten Morgen in Kolding besuchen mich Finn und Herdis, die vor vielen Jahren mit einer Volkstanzgruppe in Delmenhorst zu Gast waren. Diese Gruppe wurde 1932 gegründet, gemeinsam mit vielen anderen Volkstanzgruppen, angeregt durch die Sammlung von Tänzen und Musik aus allen dänischen Provinzen Ende der zwanziger Jahre. Ich versuche, mir die Reiseumstände dieses Sammelns vorzustellen, die Verkehrsmittel, Versammlungsorte und Aufzeichnungstechnik. Die meisten Tänze hätten sich aus den Tänzen des französischen Hofes entwickelt, der bekanntlich lange Zeit stilbildend für die Höfe anderer Teile Europas war, und seien von den Höfen ins allgemeine Kulturgut übergegangen. Wenn der höfische Tanz zum Volkstanz wurde, was war da vorher?

Heute gehen Finn und Herdis zu einem Vortrag im OK-Klubben.  Jeder Nachmittag im OK-Klubben wird begonnen und beendet mit einem Lied. Das wäre ihnen bei Besuchen in Deutschland aufgefallen: In Dänemark wird mehr gesungen.

Die These scheint sich zu bestätigen. Morten weist mich bei seiner Führung durch das Dänische Museum der Krankenpflege auf das Klavier hin, das zum Inventar jedes dänischen Krankenhauses gehörte und in dessen Begleitung die Schwestern früher morgens und abends für die Patienten sangen.

Ein wichtiges Liederbuch ist der Højskolesangbogen, erstmals veröffentlicht 1894, heute in seiner 19. Auflage. Es wird herausgegeben von der Folkehøjskole, dem dänischen Beispiel aller Volkshochschulen, begründet von N. F. S. Grundtvig, nach dem Stiftungen, Vereine und EU-Programme benannt sind. Sein Name verbindet sich mit der Idee des lebenslangen Lernens aller und einer pädagogischen Beziehung, bei der jeder Lehrer und Schüler ist.  Das Vertrauen auf unhierarchische Beziehungen und das Gemeinwohl ist präsent in Kolding, schwer zu beschreiben, unauffällig, entspannend.

Im Museum Trapholt werde auch heute jede Woche mit gemeinsamem Singen begonnen, sagt Rikke. Dann singt sie mir die ersten Zeilen von Sensommervise vor, dem Sommerhit von 2021.