BORISOGLEBSK Weintrauben, Denkmal, Gemäldegalerie

Wir besuchen die Restaurierungsarbeiten in der Boris und Gleb geweihten Kathedrale. Die Tischler und Holzschnitzer haben ihre Werkstatt gleich nebenan. Weintrauben seien in der orthodoxen Kirche ein Symbol für ein langes Leben, wird gesagt. Ich bin nicht so sicher – vielleicht eher für das Abendmahl, für Jesus, für seinen Tod? Jedenfalls sind Trauben omnipräsent. Ich habe ein Gemälde von einer traubenbehangenen moldawischen Veranda für die Präsentation von Borisoglebsk ausgesucht, gerechtfertigt durch die geschnitzten Trauben der Kirchen, aber auch durch die sehnsüchtigen Gespräche, die wir über die Erntezeit führen, über den Überfluss und das Licht im September.

Valentina Nikolajewna übersetzt, als wir in einem kleinen Bus mit hellblauen Vorhängen durch die Stadt fahren. Der Tag ist ungemütlich, mit nasskaltem Wind. Ungerührt steigen wir an den entscheidenden Orten aus und besprechen alles, was man besprechen muss, eingehakt, schlitternd und schlurfend. Wir besuchen das Denkmal des großen vaterländischen Krieges. Hierher ist die Front nicht gekommen, darum ist die Stadt so reich an alten Gebäuden, an Kaufmannshäusern, Torbögen und Holzhäusern. Hier war die Front nicht, aber viele von hier waren an der Front. Die Leute haben vergessen, dass der Krieg kein Film ist, sagt Valentina, die Älteste von uns, ehemalige Lehrerin für deutsch und englisch. Kein Film und kein Abenteuer.

Wir fahren aus der Stadt, um die Hügel zu sehen, aber die Hügel sieht man kaum im trüben Licht.

In der Gemäldegalerie wartet der Teetisch. Valentina Gorschkowa leitet das Museum. Wir richten uns die Haare, plattgedrückt von Mützen und Kapuzen, und probieren den Kirschwein.

Die Galerie ist benannt nach Pjotr Iwanowitsch Scholochow, einem Maler des 20. Jahrhunderts, in Borisoglebsk geboren. Einige seiner schönen Stadtansichten werden gezeigt. Einen Raum widmet die Galerie dem Zeichner und Maler Andrej Petrowitsch Rjabuschkin, in der nahen Umgebung der Stadt aufgewachsen. Seine Arbeit wird mit Hilfe von Dokumenten und Kopien dargestellt, letztere angefertigt, als die Tretjakow-Galerie in Moskau das Kopieren von Gemälden noch erlaubt hat.

Eine Sonderausstellung ist den Lehrern der Kunstschule gewidmet, durch diese führt mich Sergej, Maler und Direktor der Kunstschule. Ich bitte ihn, mir eines seiner Gemälde für die Ausstellung in Delmenhorst zu verkaufen. Er ist besorgt, was die Ausfuhrbedingungen für Kunstwerke betrifft, er will nicht, dass ich an der Grenze Schwierigkeiten bekomme. Anja wird recherchieren, aber am Ende entscheiden alle dagegen. Sergej schenkt mir ein Aquarell, dass ich in seinem Namen signieren kann, wenn ich zu Hause bin, an der Grenze aber im Zweifelsfall als meines ausgeben soll.